Geschichte der Psychiatrie

Geschichte der Psychiatrie - Narrenturm in Wien Der Narrenturm in Wien wurde 1784 als weltweit erste Psychiatrische Klinik gebaut. (Foto Herbert Ortner, Narrenturm in Wien, CC BY 4.0)
Schilderungen von psychischen Erkrankungen reichen bis in die Antike zurück. Psychiatriegeschichte im engeren Sinn beginnt jedoch erst mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert, als Bemühungen zur systematischen Versorgung der Kranken einsetzten. Das 19. Jahrhundert war der Beginn der Anstaltspsychiatrie. Psychisch Kranke wurden in großen dezentralen Einrichtungen weggesperrt. Im Jahr 1837 wurde die Zuständigkeit für die damals noch sogenannten „Irrenanstalten“ in die Hand der Bezirke und damit auch in die Hand der kommunalen Selbstverwaltung gegeben.

Ein besonders dunkles Kapitel der Psychiatriegeschichte stellt die Zeit des Nationalsozialismus dar. Tausende Anstaltsbewohner wurden in den bayerischen Kreis- und Irrenanstalten im Rahmen der T4-Aktion getötet – sowohl direkt durch Tötungsaktionen als auch indirekt durch Unterversorgung im Rahmen von Hungerkuren.
 
Auch Zwangssterilisationen in Folge des Gesetzes zur „Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurden vorgenommen. Heute sind die Gesundheitseinrichtungen der Bezirke sowie auch das Bildungswerk im Kloster Irsee, das früher ebenfalls eine Kreis- und Irrenanstalt war, sehr um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit bemüht. In Form von Publikationen, Mahnmalen und Ausstellungen wird an dieses dunkle Kapitel der Psychiatriegeschichte erinnert.

In den 70er Jahren veränderte sich die Psychiatrie in Deutschland. Bis dahin wurden psychisch kranke Menschen in großen zentralen Einrichtungen „verwahrt“. Durch die 68er Bewegung wurde der neue Zeitgeist auch in die Psychiatrie gebracht. Der Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland, der im Auftrag der Bundesregierung von einer Sachverständigenkommission erstellt und 1975 fertiggestellt wurde, hat die psychiatrische Landschaft maßgeblich modernisiert. Die Veränderungen sind dabei viel tief greifender als man es sich häufig klar macht. Nach den Bemühungen um die Enthospitalisierung oder die Reintegration chronisch psychisch Kranker in die Gemeinden, nach der Verkleinerung von Großkrankenhäusern durch Regionalisierung und Schaffung psychiatrischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern, haben sich die psychiatrischen Krankenhäuser von großen Anstalten, in denen die Patienten nicht selten ihr ganzen Leben verbrachten hin zu modernen Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit differenzierten diagnose- und bedarfsgerechten Behandlungsangeboten gewandelt.

Die Bezirke haben diese Entwicklung immer mit vorangetrieben, so dass heute viele wohnortnahe und patientenorientierte Angebote bestehen. In den 2000er Jahren haben sie ihre Gesundheitseinrichtungen in selbstständige, handlungs- und zukunftsfähige Rechtsformen in Gestalt von Kommunalunternehmen überführt, um den Herausforderungen im Bereich der Psychiatrie besser gerecht zu werden.